Friday, June 15, 2012

Transsib, Tag 1

Na gut, wir sind also in der transsibirischen Eisenbahn. Der große Traum, das große Abenteuer, die Sache, bei der die Meisten mit einem gutgesinnten 'du Arsch' reagiert haben, oder einem 'wow'. In jedem Fall in einem mystischen Zug der Legenden, geheimnisumwittert und legendenumrankt, wobei aber niemand so genau weiß, warum denn eigentlich. Egal, cool jedenfalls. Und dann noch die dritte Klasse, das ist ja allerhand. In einem 56er abteil, wie dass wohl gehe. Mutig, mutig.

Was nun genau daran cool sein soll, 11 Tage (bei gesamter Strecke) in einem Zug zu sein, muss noch herausgefunden werden. Kommt wohl auch darauf an, was man sich so vorstellt unter 'Russen', 'Zug' und die Kombination der beiden. Rohe Gesellen (Russen sind immer männlich) in groben Zügen. Die Hälfte davon ehemalige Speznas, die andere Gewaltverbrecher auf dem Weg ins oder aus dem Gulag. Gegröle und Mittrinkzwang unter Androhung von Waffengewalt. Die härtesten, jene, die keine Angst zeigen, wuerden dann ihre Männlichkeit beim wodkatrinken unter Beweis stellen dürfen, und sich so als wuerdig Erweisen, die Fahrt zu überleben. Oder so.

Bislang, und das sind immerhin 2 Stunden, läuft alles freilich ganz ans ab. Es ist hier bemüht ruhig, die Leute sind großteils 45+ Jahre aus vermutlich einfachen Verhältnissen. Ein paar Russen in unserem Alter sind auch hier, und eine Russin, bei der sich die kurze Zugbekleidung (hier läuft ja jeder und jede in kurzen Hosen rum) durchaus als sehenswert erweist. Unsere Kojennachbarin hat es bislang vermieden uns anzusehen, zumindest, bis sie die ganzen bunten Würfel des WürfelUNO Spiels entdeckt hat, das bricht dann das Eis. Mal sehen, ob wir ihr das Spiel beibringen können.

Der Zug selbst ist ziemlich luxuriös, für dritte Klasse jedenfalls. Nicht wenig Platz in bad und wc, Betten eng aber nicht unbequem. Und ab jetzt dann vier Tage im Zug. Na gut, wie das gehen soll, ist mir noch nicht ganz klar, aber wir werden sehen.

Position:Moskau

Saturday, June 12, 2010

Eisblumen

Hallo Ihr Lieben,

Nach langer, langer Zeit wieder mal eine Kurzgeschichte. Ich hab mich ein wenig gespielt und stilmässig etwas neues probiert, und wuerde mal sagen, das ist nur mäßig geglueckt :). Aber gut. Hier sind die Eisblumen.


In einem tief verschneiten Tal sieht ein alter Mann aus dem Fenster und wartet. Er wird sicher bald gerufen werden.

Wie immer seine Blicke nicht von den Eisblumen lösen, die zwischen den Doppelfensterscheiben wachsen. Für ihn sind sie ein Zeichen der Ewigkeit, eben weil sie so vergänglich sind. Sie werden schmelzen, und sie werden nach demselben Muster neu entstehen. Jedesmal anders, in immer gleicher Perfektion. Phoenix, denkt er, war nichts dagegen. Ihn gab es nur einmal, doch Eisblumen entstanden überall auf der Welt auf dieselbe Weise, nach demselben makellosen Muster, sogar hier. Auf jene seltsame Weise, in der Überzeugungen manchmal wie aus dem Nichts erscheinen, stellt er fest, dass nichts Lebendiges dieser einfachen Eleganz jemals ebenbürtig sein könnte.

Dann fällt ihm eine Bewegung auf, und er sieht in Richtung der Berge. Von dort führt ein verschlungener Pfad zu der Hütte, und über diesen Weg kommt eine kleines Mädchen gelaufen. Nichts an diesem Anblick ist für den altem Mann überraschend. Er hat seltsameres gesehen, seit er hier angekommen ist. Der Schnee des Pfades knirscht trocken unter ihren nackten Füßen, und eigentlich müsste sie in ihrem leichten Sommerkleid bitterlich frieren. Und doch ist sie das Sinnbild eines fröhlichen kleinen Mädchens. Eines der jener Art, dass seiner Mutter an einem Sommertag eine selbstgepflückte Blume schenkt und dabei das stolzeste Mädchen der Welt ist. Eines Mädchens, dass sich nichts Schöneres vorstellen kann, als im Garten der Hauskatze nachzujagen.

Das kleine Mädchen betritt die Hütte und sieht sich neugierig um, doch es gibt hier nur wenig, dass ihre Aufmerksamkeit fesseln könnte. Ein schmuckloser Holzbau mit einer kleinen Feuerstelle in der Mitte. Ein grober Holztisch mit ein paar Stühlen, eine schlichte Schlafstatt die zur Not auch mehreren Leuten Platz geboten hätte. Hier gab es nichts, was die Aufmerksamkeit von einem selbst abgelenkt hätte. Das ist der Zweck dieses Orts.

“Hallo Grossvater” begrüsst ihn das kleine Mädchen, “bist du denn ganz alleine hier? Sind die anderen alle schon gegangen?”

“Hallo meine Kleine” sagt der alte Mann sanft “ja, es kommen nicht mehr viele hierher. Und nur wenige bleiben so lange wie ich. Ich kann noch nicht gehen. Er wird mich bald rufen.”

In letzter Zeit war es hier ruhig geworden. Über lange Zeit hinweg, draussen wohl mehrere Jahre, waren sie in Strömen gekommen. Waren den Pfad hinabgestiegen, hatten in der Hütte ein wenig verweilt und waren danach entschwunden. Der Alte Mann hatte sich nicht um sie gekümmert, aus seinem Fenster hinausgesehen und die Eisblumen betrachtet. Sie mochten sich aufgegeben haben, aber er nicht. Er würde sicher bald gerufen werden. Wärend er wartete versiegten die Ströme langsam, ganz so, als wäre draußen nicht mehr genug übrig um sie zu speisen. Es kamen immer weniger Reisende, und schließlich trafen sie nur noch sehr vereinzelt ein. Es gab wohl nicht mehr viele da draußen.

Das kleine Maedchen sah ihn mitfühlend an. “Du wärst nicht hier, wenn er das tun würde. Komm, wir können gemeinsam gehen, wenn du willst”, sagte sie und streckte ihm die Hand entgegen. “Hier will ich sowieso nicht bleiben, hier ist es mir zu langweilig. Kommst du?” Ein Zitat kommt ihm in den Sinn, nach dem Kinder flügellose Engel wären. Auf dieses Mädchen trifft dies zweifellos zu.

Der alte Mann lächelt traurig. Die meisten waren wie sie gewesen, rasch entschlossen. Solche, die nur einmal tief durchatmeten und dann durch die schmucklose Hintertür wieder verschwanden. Aber er kann noch nicht gehen. Er wird sicher bald gerufen werden. “Nein, meine Kleine”, antwortet er, “Ich bleibe noch ein bisschen.”

“Wie du willst, Grossvater.”, sagt das kleine Maedchen unbekümmert und geht auf die Hintertür des Hauses zu. Kurz bevor sie die Tür erreicht, dreht sie sich noch einmal um. “Bist du nicht einsam hier?” fragt sie.

“Nein. Ich warte nur.” Dann, aus einer Gerühlsregung heraus die er selbst nicht ganz verstand, fügte er hinzu: ‘Aber du musst noch nicht gehen. Bleib hier und erzähle. Wer warst du?”

“Och, das lohnt sich gar nicht. Ich bin ein kleines Mädchen, mit dem er mal gespielt hat. Er fragte nicht mal nach meinen Namen, aber er erinnerte sich oft an mich, und lächelte dabei. Aber er hat mich lange nicht mehr gerufen, und ich mag nicht mehr darauf warten. Lebwohl, Grossvater!”, spricht sie, öffnet die Hintertür und tritt hinaus. Sie reckt die Arme zum Himmel, lächelt und löst sich in ein Gestöber aus Schneeflocken auf, die der sanfte Wind über die Ebene verteilt.

Dann ist das Maedchen verschwunden, nur ein paar Kristalle mehr im grossen Ozean der verlorenen Erinnerungen. Lange blickt der alte Mann auf die Stelle, an der es zuletzt gestanden hat, während der Wind die Tür leise hin und her bewegt. 'Was mache ich hier denn noch', fragt er sich traurig, 'Warum bin ich denn noch immer hier?' Dieses Tal ist eine Einwegstation, ein letzter Ruheplatz für all jene Erinnerungen, die auf ewig entschwunden sind und niemals wiederkehren. Vielleicht würde er doch nicht mehr gerufen werden. Er geht zur Tür und sieht hinaus, spürt die Verlockung. Einfach hinaustreten. Vergessen sein.

Dann schüttelt er den Kopf und schliesst die Tür.

In einem tief verschneiten Tal sieht ein alter Mann aus dem Fenster. Er wird sicher bald gerufen werden.

Friday, March 12, 2010

Schreibwerkstatt SS10 die Dritte (etwas spaeter als erhofft)

hallo ihr lieben,

etwas zu spaet, das outcome der dritten schreibwerkstatt in diesem semester. Es gab eine Ballade zu schreiben, und ich muss sagen, es hat mir sehr viel spass gemacht.

also, das ausgangselement war dieses video


der frankenstein, der lag schon richtig
die natur ist zu beschraenkt
und daher ist es furchtbar wichtig
dass man sie in rechte bahnen lenkt

ja, moerderhirn und wuergerhaende
ich schnitt sie vom galgen, mit viel esprit
die henker setzten ihren leben ein ende
doch heute? heute schicken sie amnesty

ein recht auf leben und aehnlicher dreck
so wollen sie mir meine bestimmung verwehren
das neue jahrtausend erfodert - essbesteck
meine schöpfung wird man genuesslich verzehren

der turm, die blitze, die dunkle nacht
unverzichtbar als wissenschaftliche stilikone
heut beweise ich meines geistes unendliche macht
anhand dieser perfekten zitrone

ein stueck wie es die welt noch nicht gesehen
ein wunder an farbe, geruch und geschmack
die mutter aller fruechte, wird jeder verstehen
doch der dorfhaendler sagt nur: schabernack.

wieviele tonnen ich davon haette
fragt er und zu welchem preis
denn eine einzige zitrone
langt grade mal fuer ein schnitzel mit reis


Das wars auch schon wieder fuer diese Woche, die Haikus zu Posten ist mir irgendwie zu bloed - ich mag sie ja nicht wirklich.

So long & bis bald mal
Richie

Sunday, March 07, 2010

Schreibwerkstatt SS10 die Vierte

hallo ihr lieben,
das letzte mal hatten wir ein hoerspiel, das schon letztes semester in meiner kniebedingten abwesenheit begonnen wurde. das ganze ist, um es mal so zu sagen, voellig absurdes zeug. pseudo-fantasy-scifi, quasi. tut bisweilen recht weh, aber man muss eben mit dem arbeiten, was man zur verfuegung hat, nicht wahr?
jedenfalls haben ein kollege, andreas, und ich eine szene ausgearbeitet, bei denen ein biederer bankangestellter(warum auch immer) versucht, gedraengt von einem wissenschaftlerinterview und einer schutzanzugwerbesendung, einen anzug fuer sich und seine frau zu bestellen, um den drohenden katastrophen von 2012 widerstehen zu koennen. er heisst, auch da weiss man nicht warum, VOLKESSTIMME (vermutlich als representant der menschheit). se es wie es sei. hier die Hoerspielszene, die, wie wir finden, gar nicht mal schlecht geworden ist.

Klingelgeraeusch. Nach mehrmaligen klingeln hebt die Gegenseite ab und eine Tonbandaufnahme ist zu hoeren.

telefonband
Herzlich willkommen bei Planetarius International. Hier bei uns bekommen sie, bekannt aus Fernsehen, Internet und Radio, die einzig wirksamen, patentierten 2012er Schutzausruestungen. Wirksam gegen Roentgenstrahlen aus dem All, Graviationswellen, ..

Fernseher, im Hintergrund
Bestellen sie rasch, nur noch 5312 Schutzanzuege verfuegbar...

Volkesstimme
Ja, ja, macht weiter, schon klar was ich bei euch bekomme. Schliesslich hab ich mir lange genug die WErbesendung im Fernsehen angesehen, wo wieder mal niemand sagt wieviel es kostet, aber egal, es gibt nicht mehr viele, ich muss schnell zuschlagen. Sicher ist diese Hotline kostenpflichtig, kein wunder das sie das so rauszoegern...

telefonband
.. und das alles in modischen Farben. So koennen sie ihr Zelt passend zu ihrer Helmfarbe waehlen, ein absolutes muss fuer ein stilsicheres Ueberleben. So ueberstehen sie auch Gravitationen von 9g und koennten noch immer am cover vom Cosmopolitan aufscheinen. Ihr Anruf kostet 1.99€ pro Minute. Sprechen Sie nun bitte laut und deutlich das Produkt ihrer Wahl.

VOLKESSTIMME
Hmm, mal sehen, ...

Fernseher, im Hintergrund
...denken sie auch an unsere patentierten schutzzelte...

telefonband
Vielen Dank fuer ihr Interesse an unseren Schutzzelten. Unsere Zelte bieten nicht nur Schutz, sondern auch Komfort ausserhalb...

VOLKESSTIMME
Nein, verdammt. Schutzanzuege, niemand hat hier schutzzelte gesagt, was mach ich denn mit einem Schutzzelt, einen Bunker hab ich doch schon. Einen Anzug brauche ich... ZURUECK. ZURUECK. STORNO. AUS.

telefonband
Sie haben die Zeltbestellung storniert. Danke fuer ihren Anruf.

Ein Besetztgeraeusch ertoent. Man hoert Volkesstimme hektisch auf die Tasten eines Telefons einhaemmern, und es klingelt.

telefonband
Momentan sind alle Leitungen besetzt. Bitte gedulden sie sich, bis eine Automatenleitung fuer sie frei wird. Ein nochmaliger Anruf wird neu gereiht und verlaengert damit die Wartezeit. Natuerlich koennen sie auch unser Internetangebot wahrnehmen, einfach zu finden unter www.planetarius.com.

VOLKESSTIMME
Internet? Internet, ja. Natuerlich, das Internet!

Fernseher, im Hintergrund
...nicht einmal mehr 3000 Anzuege verfuegbar.



Man hoert das charakteristische Geraeusch eines startenden PCs (Windows-Melodie)

VOLKESSTIMME
Jetzt mach schon, du verdammte Kiste. Explorer... jetzt starte schon... we we we punkt planetarium punkt ze oh em ... hmhm... Seite wird geladen... was ist das nun? ... Seite nicht vertrauenswuerdig... jaja, von mir aus ... ja, zertifikat akzeptieren... aaah, da ist sie. Gut, nun also Produkte... Schutzanzuege...

telefonband
Herzlich willkommen bei Planetarius International. Hier bei uns bekommen sie, bekannt aus Fernsehen, Internet und Radio, die einzig wirksamen, patentierten 2012er Schutzausruestungen. Wirksam bei...

Man hoert einen Tastendruck, woraufhin ein Besetztgeraeusch ertoent.

VOLKESSTIMME
Erzaehlt doch wem andereren, bei was ihr wirksam seit, ihr Blutsauger. Die 2 Euro koennt ihr jemand anderem abknoepfen. HAHA. DENN ICH HABE DAS INTERNET.

Gut, also schauen wir mal weiter. Medium fuer mich, nein, doch wohl eher Large, und fuer Lena Small.. haha, guter witz. Auch Large also. nur noch in rosa mit blassblauem helmen verfuegbar? auch gut. Karli hat sicher medium ... und ab in den Warenkorb. WAS? zweitausendfuenfhundertachzig euro? PRO Stueck? Hmmm..

Man hoert seine haende auf die Tischplatte trommeln

Nei-hein, fuer Karli, dieses undankbaren Balg, bestell ich keinen, der war seit Monaten nicht mehr zuhause, nicht mal zu meinem geburtstag hat er angerufen, warum sollte ich also an ihn denken? Gut, also nochmal von vorne.

Man hoert Mausklicks.

Fernseher, im Hintergrund
... unsere Zelte sind nun ausverkauft, aber sie haben noch die Chance auf einen der 1000 uebrigen schutzanzuege

VOLKESSTIMME
Tausend nur noch? Scheisse, jetzt aber rasch. ich geh nicht drauf, ich bin schon fast fertig mit dieser bestellung. konzentrier dich. die bestellung abschliessen. Lieferadresse... ja, die Rechnungsadresse ist dieselbe... Kreditkartennummer... CVC code? was ist ein CVC code? ... Hilfe, ach das... drei-fuenf-eins.. bestaetigen.. Kreditkartendaten werden uebertragen.. Geschafft. So, da ist das Bestaetigungsfenster.. Was steht da? Kreditkartenserver konnte nicht erreicht werden... eine NETZUEBERLASTUNG?

Volkesstimme wird wuetend.

Dir werd ich geben, Netzueberlastung, was soll das heissen? Okay nochmal. Zurueck... Die Homepage sah doch vorher noch anders aus.. da steht ... Liebe Kunden, unsere Webshop ist ueberlastet. Bitte wenden sie sich an die Telefonhotline um ihre Planetariusprodukte zu bestellen. Scheisse, SCheisse, wo ist denn das Telefon? Die Nummer war... die Nummer war... Schalt doch endlich wieder auf die nummer um, scheiss fernseher... endlich...

Man hoert ihn eine Nummer waehlen.

telefonband
Momentan sind alle Leitungen besetzt. Bitte gedulden sie sich, bis eine Automatenleitung fuer sie frei wird. Ein nochmaliger Anruf...

Fernseher, im Hintergrund
Liebe Kunden, alle Schutzanzuege sind nun Ausverkauft. Danke fuer ihre Aufmerksamkeit.

VOLKESSTIMME (gebrochen)
Verdammt.

Monday, March 01, 2010

Schreibwerkstatt SS10 die Zweite

nun also auf zur zweiten schreibwerkstatt:
wir hatten zuerst ein paar haikus, inspiriert von fasching und/oder dem wetter (war ein trueber tag anfang februar). die haikus sind maessig, eigentlich sind sie das immer, aber der vollstaendigkeit halber:

die bunten masken
geheimnisvolle wesen
nur an diesem tag

schmutziggrauer matsch
schnee, so weiss und wunderschoen
unnuetz in der stadt

truebe, duester und kalt
inversionswetter, ja
winter hier in graz
So far so mediocre. Danach, wesentlich spannender, gabs einen Filmausschnitt zu sehen. Der film trug den namen MAY, und ich hab noch nie von ihm gehoert, vielleicht zu recht. Die im Ausschnitt geschilderte vorgeschichte war, dass May, ein introvertiertes maedchen von knapp 20 Jahren, einen Punk in ihre Wohnung einlaedt, den sie zuvor auf der strasse kennengelernt hat. Er baggert sie fleissig an und will sich, nachdem er sein shirt ausgezogen hat, Eiswuerfel aus der kueche holen weil es so 'heiss hier drinnen' ist und seine 'Nippel brennen'. May stuermt ihm nach um ihn daran zu hindern, und als er das Kuehlfach oeffnet, sieht man einen toten hund darin liegen.

Ihr Ruf kam zu spaet. Er oeffnete die Tuer es Gefrierfaches, und May wich instinktiv einen Schritt zurueck. Sie wuerde es ihm nicht erklaeren koennen, und er wuerde es nicht verstehen. Er war schliesslich nur ein Punk, was wusste er schon von Ihr, von ihrer Einsamkeit? Fieberhaft suchte sie nach etwas das sie sagen koennte, aber es gab nichts. Sie konnte nur warten.

Seit einer halben Minute hatte er sich nicht nicht geruehrt. Die Tuer noch immer in der Hand stand er da, sein Gesicht vollstaendig vor ihren Blicken verdeckt. Nur seine Haarstacheln ragten hervor, wie schwarze Sonnenstrahlen in einer Kinderzeichnung. Er starrte anscheinend noch immer auf Sophos, den sie zwischen Eiswuerfeln und Fertigpizzas eingefroren hatte. Sie hatte keine Wahl gehabt, aber wie sollte sie das erklaeren? Schlimme Dinge geschahen hier, und sie hatte kein Interesse daran, dass sie auch ihr zustiessen. Sie tat was sie tun musste, auch wenn es keine schoenen Dinge waren.

Endlich schloss er langsam die Tuer, blinzelte ein paar mal und drehte sich dann den Kopf zu ihr. “Was,” sagte er mit unglaeubiger Stimme, die nur einen Fingerbeit davon entfernt war hysterisch zu sein, “zur Hoelle tut ein gefrorene Töle in deinem Gefrierfach? Bist du bescheuert? Willst du den etwa essen? Scheisse, lass das.” Seine Stimme beruhigte sich langsam als er weitersprach, “Ich hab eine meinen Anteil an miesen Frass gehabt, damals, als ich von zu Hause ausgerissen und beiden Pennern gewohnt habe, und wir haben damals alles gegessen, aber, aber...” er wedelte mit der Hand, “aber doch keinen Hund! Jimmy hat mir erzaehlt dass einer von den Jungs mal einen toten Streuner aufgelesen hatte und ihn gebraten hat, und er is verdammtnochmal daran verreckt. Da koennen alle Arten von Dingen drin sein, ich sag dir, Bakterien koennen da drin sein, und... Scheisse.“. Er brach ab und starrte sie an, eine kleine Ewigkeit lang.

Dann zuckte er gezwungen laessig mit den Schultern. “Naja, is ja nicht mein Bier.” sagte er, drehte sich zum Kuehlschrank um und oeffnete die Tuer erneut. Er murmelte etwas, das wie “hat ‘n verdammten gefrorenen Hund da drinnen” klang, suchte wohl ein wenig herum. Dann nahm die Eiswuerfel heraus und schloss die Tuer wieder. “Na immerhin muss ich mir meine Nippel nicht mit dem Hund kuehlen, weisst du, das waer sicher, weiss nicht, unhygienisch oder so.” Er grinste breit und ging zurueck ins Wohnzimmer.

May entspannte sich und stiess langsam die Luft aus. ‘Das war knapp’, dachte sie und legte das Messer in die Spuele. Sie hatte es vorsorglich aus dem Wohnzimmer mitgenommen und hinter ihrem Ruecken verborgen gehabt. Ja, es war wirklich knapp gewesen. Aber zum Glueck hatte er nicht hinter den Hund gesehen.
Das wars, bis zum naechsten mal.
richie

Monday, February 01, 2010

Schreibwerkstatt SS10 die Erste

Hallo ihr Lieben,
es ist wieder soweit, die Schreibwerkstatt hat wieder begonnen. Nachdem ich momentan eher maessig erfolgreich beim Kurzgeschichtenbasteln bin (scheint als haette ich meine ganzen Kreativpunkte in dem Schreibwahn um Weihnachten herum verbraucht), war die Abwechslung heute sehr witzig.

Im ersten Punkt gings darum, eine Geschichte aus Sicht des Tiers/der Landschaft aus einem blind gezogenem Bild zu beschreiben. Bei mir war's der Kopf eines schwarzen Hundes vor einem Fluss.
WIE ES IMMER WAR
Weiß der Himmel, warum ich das jedesmal wieder mache. Peter, mein Leitmensch, wirft den Stock, und ich jage dem Ding nach. Als waere dieses dumme Stueck Holz etwas, das ich haben wollte. Als wuerde es mir Spass machen, in Wasser und Schlamm nach dem Ding zu suchen. Als wuerde es irgendeinem Zweck dienen. Ich kaue manchmal sogar ein wenig darauf herum, in der Hoffnung, dass es diesmal etwas essbares ist. Aber ich werde jedes Mal enttaeuscht.
Ich spiele das Spiel mit, weil es Peter so viel Freude bereitet. Es ist ja so: wenn es Peter gut geht, geht es mir gut. Das bringt besseres Futter, mehr Spaziergaenge und mehr gekraule.
Manchmal denke ich, Peter ist ziemlich dumm. Ich meine, wie koennte ihm ein derart sinnloses Spiel, noch dazu ohne Sieger, sonst solche Freude bereiten?
Aber wenn ich genauer drueber nachdenke, ist er vielleicht gar nicht so dumm. Vielleicht wirft er den Stock nur, weil er glaubt, es wuerde mir Spass machen. Und er freut sich, weil er denkt, dass ich es auch tue.
Wie zwei alte Freunde, die immer ueber dasselbe Thema sprechen. Ein Thema, das die beiden eigentlich schon seit langer Zeit nicht mehr interessiert. Aber sie reden darueber, weil sie Angst haben, sich eingestehen zu muessen, dass sie eigentlich nichts mehr gemeinsam haben. Nicht mehr als dieses duenne Band, und wenn dieses Band reisst, ist alles zwischen ihnen vorbei.
Bei Peter und mir ist es ganz aehnlich. Zwischen Mensch und Hund, nun ja, wieviele Baender kann es da wohl geben? Was wuerde aus dem besten Freund des Menschen, wenn man nicht weiss, was man mit ihm anfangen soll?
Also wirft Peter, mein Leitmensch, den Stock, und ich jage ihm nach.
So, wie es immer war.
So, wie es immer sein muss.

Die naechste Aufgabe war, uns die vorherrschende Farbe auf dem Foto zu suchen (in meinem Fall schwarz) und das Wort mit eigenen Worten zu buchstabieren
S Schatten
C Cocktailkleid
H Hinterhalt
W Wesen
A ngst
R uß
Z Zuendhoelzer
Soweit sogut. Ich hatte natuerlich schon geahnt, dass jetzt die Aufgabe waere, eine kurze Geschichte, so um die fuenf saetze, daraus zu basteln:
In ihrem Cocktailkleid war ihr kalt, ud sie hatte Angst. Angst vor den Schatten, in denen zweifellos duestere Wesen einen Hinterhalt planten. Gerne haette sie mit einem Zuendholz Licht gemacht, aber ihre rußigen Finger anden nur noch verkohlte Stummel in der Schachtel. Und so stolperte sie, die Arme eng um ihren Koerper geschlungen, weiter durch die Dunkelheit.
Soweit kein Problem aber die naechste Aufgabe war richtig fordernd. Wir sollten die beiden Geschichten miteinander verbinden, auf den ersten Blick voellig unmoeglich. Mein Weg war gangbar, hat aber nur maessig gut funktioniert - Als Erzaehlung aus zwei Perspektiven mit zusaetzlichem Wechsel zwischen der Ich-Perspektive des Hundes und der dritten Person der Frau ist das nicht zu machen. Leider musste ich auch Feststellen, das der nuechterne Erzaehlton der zweiten Geschichte sich nur schlecht mit einer Ich-erzaehlung vertraegt, also werde ich wohl den Hund in eine dritte Person wandeln muessen und ein paar Elemente streichen. Here we go.
Nachtrag: im Endeffekt war es wohl schlicht und einfach unmoeglich, die Geschichten zu kombinieren. Ich bin jedenfalls nicht zufrieden mit dem Ergebnis :).
Er hatte das Klirren der Metallringe des Hundegeschirrs drei Raeume weiter gehoert und war sofort zur Tuer gestuermt, um schwanzwedelnd davor zu warten. Es war schon spaet fuer einen Spaziergang, aber wann man rauskam, konnte man sich nicht aussuchen.
Genausowenig wie die Sache mit dem Holz. Wieder fragte er sich, warum er das eigentlich immer wieder tat. Peter, sein Leittier, warf den Stock, und er jagte hinterher. Als waere er dieses dumme Stueck Holz etwas, das er haben wollte. Als wuerde es irgendeinen Zweck erfuellen. Als wuerde es Spass machen, es in Wasser und Schlamm zu suchen. Manchmal kaute er darauf herum, einfach nur, um zu sehen ob es diesmal etwas essbares waere. Er wurde jedesmal bitter enttaeuscht.
Er spielte das Spiel mit, weil es Peter so viel Freude bereitete. Schliesslich ging es ihm gut, wenn es Peter gutging. Besseres Futter, mehr Spaziergaenge, mehr Gekraule hinter den Ohren. Dafuer nach einem Stueck Holz zu suchen, war kein schlechtes Geschaeft.

Ihr war kalt, und sie hatte Angst. Angst vor den Schatten, in denen zweifellos duestere Wesen einen Hinterhalt planten. Gerne haette sie mit einem Zuendholz Licht gemacht, aber ihre rußigen Finger anden nur noch verkohlte Stummel in der Schachtel. Und so stolperte sie, die Arme eng um ihren Koerper geschlungen, weiter durch das immer dunkler werdende Zwielicht.

Die Sonne war schon lange untergegangen. Er konnte noch gut sehen, aber er war auch sicher, dass Peter ohne seinen Lichtstab kaum etwas haette erkennen koennen. Trotzdem fliegt der Stock wieder, hindurch zwischen zwei Baeumen und landet irgendwo im Unterholz. Pflichtbewusst stuerzt er dem Holzstueck nach.

Sie hoerte das Unterholz krachen. Vergeblich versuchte sie, ihre aufkeimende Panik zu unterdruecken. Doch dann brach es aus ihr hervor, unwiederstehlich, und sie lief los, irgendwohin, nirgendwohin. Nur weg von den Monstern, die sie jagten.

Im Wald war zu dunkel um es genauer zu erkennen, aber irgendetwas floh vor ihm, langsam und tollpatschig. Uralte Instinkte erwachten zum Leben, und der Stock war vergessen. Er hatte nun echte Beute. Die Jagd begann.

Sie wusste, dass ihr Cocktailkleid nur noch aus Fetzen bestand. Unzaehlige Aeste und Dornen hatten tiefe Kratzer in ihren Armen und ihrem Gesicht hinterlassen. Trotzdem hastete sie weiter, mit schmerzhaft hart schlagendem Herzen und stechender Lunge stolperte sie blind durch die Nacht. Es nuetzte nichts, das Hecheln kam naeher. Dann traf etwas ihren Ruecken und warf sie hart zu Boden.

Nur mit aeusserster Anstrengung konnte er sich dazu zwingen, seine Zaehne nicht in ihrem Hals zu vergraben. Eine Menschin lag unter ihm, das hat er gerade rechtzeitig erkannt. Sie durfte er nicht jagen, Menschen waren fuer ihn verboten. Er tat das einzige, dass er in dieser Situation machen konnte und zog sich ein paar Schritte zurueck. Dann begann er sie anzubellen. Sollte doch Peter entscheiden was zu tun war. Schliesslich war er der Herr des kleinen Rudels.

und nein, wir fragen nicht, warum eine Frau mitten in der nacht im Cocktailkleid durch den Wald irrt :-). Manche Dinge sind eben so, wie sie sind.

so long und bis zum naechsten Mal
Richie

Monday, January 11, 2010

Sie kamen zu fuenft.

Sie kamen zu fuenft. Manfred war alleine, denn sie waeren sonst nicht gekommen. Es hatte endlose Versicherungen via Funk gebraucht um sie davon zu ueberzeugen, dass ihnen hier niemand auflauern wuerde. Die meisten Banden waren aus guten Gruenden ein wenig paranoid, aber die Gripps? Sie als 'ein wenig' paranoid zu bezeichnen waere in etwas so, als wuere man sagen, der Papst sei 'ein wenig' religioes.

Wenn es noch einen Papst geben wuerde, natuerlich. Oder Rom. Oder Italien. Suedlich der Alpen war nichts ausser verstrahlter Wueste uebriggeblieben, das wusste jeder.
Auch in der kargen Steppe, in der er jetzt stand, wuerden nie wieder Weinreben wachsen. Aber immerhin war es sauberer Sand, den ihm der allgegenwaertige Wind in seine Augen blies. Guter sauberer Sand.

Und so stand er da, waehrend sie in ihrem Pickup Runden um ihn drehten. Laut schreiend schwenkten sie ihre Stahlstangen, sogar der Typ hinter dem Steuer. Manfred verdrehte die Augen und hoffte dass sie es nicht sehen wuerden, aber das Beduerfnis war zu gross. Sie waren offensichtlich Idioten. Beschraenkte, primitive, stinkende und wahrscheinlich betrunkene Idioten. Mit dem einzigen Benzin weit und breit. Also wuerde er mit ihnen verhandeln, die Ruhe bewaren und ihnen ein paar Kanister fuer die Station abnehmen, irgendwie.

Wie er das hasste. Immer verlor er beim Pokern, jedes verdammte Mal. Zumindest kam ihm das so vor. Die ganze Chancenrechnerei nuetzte nichts gegen das Pik As, mit dem Antoine sein eigenes Full House zu einer Laecherlichkeit degradiert hatte. Er haette nicht All-In gehen sollen, das wusste er jetzt. Aber er war sicher gewesen das Antoine bluffte, so sicher. Scheiss Franzose.

Und jetzt schlug er sich mit den Gripps herum. Die Gripps. Was fuer ein laecherlicher Name. Und dann erst dieses selbst aufgezeichnete, schon wieder abblaetternde Bandenzeichen auf dem Pickup.

Jetzt hatten sie einen Drift hingelegt, standen mit dem Heck des Autos zu ihm und sprangen ab. Manfred war sicher das sie das trainiert hatten, denn standen jetzt in einem unfertigen V da. Sie warteten auf den Fahrer, der ohne Zweifel ihr Anfuehrer war und die Spitze uebernehmen wuerde. Wie unangemessen theatralisch. Wie laecherlich pathetisch. Und jetzt liessen sie auch noch diese Stangen in ihre Handschuhe klatschen. Manfred widerstand dem Drang seine Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger zu massieren, wartete, und sah sich die Truppe an.

Das Leben unter freiem Himmel hatten den Gripps nicht allzu gut getan. Ihre ausgemergelten Gesichter zeigten deutliche Spuren von allerhand Ausschlaegen. Links vorne stand ein Junge von vielleicht 20 Jahren, die Haare zu einem Irokesen rasiert. Er hatte einige haessliche Pusteln am Hals, an denen er sich unentwegt kratzte. Inzwischen war der Anfuehrer an die Spitze getreten, mit Abstand der haesslichste der fuenf. Er war ziemlich gross, knappe zwei Meter, ein pockennarbiger, vierschroetiger Kerl wie aus einem Eastwoodwestern mit dem armseligen Versuch eines Vollbarts. Er trug einen Hut und einen knielangen Trenchcoat, der im Wind flatterte. Von der Stirn ueber das rechte Auge bis zum Hals zog sich eine lange, zart rosafarbene Narbe.

Manfred malte sich die naechsten paar Minuten aus. Der Anfuehrer wuerde ihn boese anstarren, irgend etwas ueberfluessiges wie ‘Wir sind die Gripps’ von sich geben und ihm ausfuehrlich beschreiben, warum es eine schlechte Idee waere sie zu hintergehen. Vermutlich wuerde er ihm von Anderen erzaehlen, denen es sehr, sehr schlecht ergangen war, eben weil sie es so etwas versucht hatten. Sie wuerden auf jeden Fall ueber sein Moped lachen, aber das wuerden die einfachen Bandenmitglieder uebernehmen. Der Anfuehrer selbst wuerde nach wie vor grimmig dreinsehen und bestenfalls den Schatten eines Laechelns auf seine Lippen lassen. Danach wuerden sie viel weniger Benzin als vereinbart anbieten, zu einem mehrfachen des Preises verstand sich, und ihm sagen das er ‘froh sein solle, dass sie ihn nicht einfach totschlugen und ihm die Medikamente einfach wegnahmen’. Es war immer dasselbe.

Er war es so leid, mit diesen Narren Katz und Maus zu spielen, aber sie brauchten den Strom. Es ging nicht immer genug Wind fuer die Kuehlanlagen.

‘Wir sind die Gripps’, sagte der Anfuehrer und verbeugte sich spoettisch.
‘Du meine Guete’, dachte Manfred, ‘der haelt sich auch noch fuer gewitzt.’ Das waren die schlimmsten. Vermutlich wuerde er irgendwann Shakespeare zitieren. Falsch natuerlich.

‘Ich bin Alex.’ sprach der Huehne weiter, laechelte breit und entbloesste dabei eine schwarzbraune Ruine von Zahnreihe. ‘Komm nich auf die Idee uns bescheissen zu wollen, Arschloch. Das ham schon andere probiert und es is ihnen nich gut bekommen. Isses nicht so, Jungs?’.

Von den anderen erhob sich nun zustimmendes Gemurmel.
‘Gar nich gut bekommen.’
‘Haben sie spueren lassen was es heisst uns zu hintergehen.’
‘Jaa, wir ham ihnen die Koepfe eingeschlagen!’
‘Scheiss Futter fuer die Raben.'
'Haben den Viechern zugesehen wie sie die Haut von ihnen pickten nachdem wir sie aufgeknuepft hatten.’
‘Gar nich gut bekommen, nein.’
Und so weiter. Manfred hatte grosse Muehe nicht mit der Hand zu wedeln um ihnen zu bedeuten weiter zu machen.

‘Wir Gripps’, sprach der Anfuehrer nun weiter, ‘halten unsere Versprechen, und du solltest das auch machen. Sonst knipsen wir dich aus.’, und schnippte mit den Fingern um anzuzeigen, wie leicht es ihnen fallen wuerde. Die anderen murmelten zustimmendes ‘einfach so’ und ‘bloss so’, und machten angemessen Handbewegungen. Es war zum Verzweifeln.

‘Johnny, hol die Kanister’ wies Alex nun den Jungen mit dem Irokesen an. Johnny sagte nur knapp ‘Ja, Boss’ und ging zum Wagen zurueck. Kurz darauf kehrte er mit zwei Zehnliterkanistern zurueck. Natuerlich war das nur ein Drittel der ausgemachten Menge. Vermutlich wuerden Alex nun sagen, dass der Benzin schwerer zu besorgen gewesen war und daher natuerlich auch teurer.

‘Das hier ist beste Ware. Feinster Benzin aus ‘ner alten Esso Tankstelle, richtig gutes Zeug. Ham wir selbst aus dem Boden gepumpt. Ich sag dir, das war nich einfach, ‘ne Menge anderer Leute wollten auch was davon haben. Johnny musste einen mit dem Benzinschlauch erwuergen, sonst haetten die nie Ruhe gegeben. Er hat jetz grosse Gewissensbisse deshalb, nicht wahr, Johnny?’.
Johnny nickte eifrig, und Alex bleckte seine Zaehne.
‘Ihr werdet uns die Unkosten ersetzen muessen. Ihr bekommt nur zwei Kanister’. Nach Unkosten hatte eine kurze Pause gemacht, als haette er etwas besonders Kluges gesagt. Schwachkopf.

‘Wir hatten sechs Kanister ausgemacht.’ sagte Manfred ruhig.
‘Der Preis hat sich erhoeht, sagt der Boss.’ stiess Johnny hervor, und Alex sah ihn zornig an.
‘Ich rede hier!’ zischte er.
Manfred zuckte die Achseln, und ging zu seinem Anhaenger. Hinter sich hoerte er die Rufe.
‘Was isn das?’
‘Der Kerl faehrt ‘nen Roller’
‘Die ham sich ‘nen Anhaenger drangeschweisst.’
‘Koennen sich wohl kein Auto leisten’
Alles war immer wieder von Gekichere durchsetzt. Manfred nahm die oberste Steige Konserven, ging zurueck und stellte sie vor sich auf den Boden.

‘Für zwei Kanister bekommt ihr nicht mehr, das wisst ihr.’
‘Allwissend bin ich nich, aber ich weiss viel.’ knurrte Alex. ‘Aber ich will nicht so sein. Johnny, hol noch einen Kanister.’ Ein Goethezitat also. Manfred fand das durchaus beeindruckend, so falsch musste man den mal zitieren.
‘Aber Boss, du hast doch gesagt gesagt dass...’ begehrte Johnny auf, bevor Alex ihm scharf das Wort abschnitt: ‘Hol jetzt noch einen Kanister verdammt.’
Manfred laechelte innerlich. Da war der Riss in der Gruppe. Er musste ihn nur noch ein wenig aufweiten.

‘Johnny, hol doch gleich alle.’, wannte sich Manfred nun direkt an den Jungen. ‘Fuer drei Kanister kriegt ihr auch nur zwei Steigen Konserven. Das ist eigentlich zu viel, aber ich will nicht so sein. Aber keine Medikamente, und keine Batterien. Am besten du bringst gleich alle sechs, wie ausgemacht.’ Johnny sah zweifelnd zwischen ihm und Alex hin und her.

‘Gut, hol zwei Kanister.’ Alex wirkte inzwischen ein wenig unsicher, und seine Leute wurden unruhig. Manfred sah sich die anderen Vier genau an. Die Verhandlungen liefen nicht so wie ihnen ihr Anfuehrer das versprochen hatte, und seine Authoritaet schmolz wie ein Schneemann im Sommer. Wer wohl den ersten Schritt machen würde? Vermutlich der Kleine rechts von Alex, der inzwischen unruhig von einem Fuss auf den anderen stieg und ihn hasserfuellt anstarrte.

‘Johnny, das sind zu wenige.’ sagte Manfred in unbekuemmerten Tonfall als dieser die beiden Kanister abstellte und keine Anstalten machte, noch mehr zu holen. Er laechelte ihm freundlich zu. ‘Wir hatten sechs ausgemacht.’

‘Verdammt, ich führ hier die Verhandlungen, Arschloch.’ sagte Alex wuetend. ‘Wenn du mit jemanden sprichst, dann mit mir, is das klar? Johnny bleibt hier, bis ICH’ er spuckte das Wort geradezu heraus, ‘bis ICH ihm sage das er etwas holt, klar? Und jetz bring das restliche Zeug.’
Manfred holte eine zweite Steige Konserven und stellte sie vor sich ab. ‘Bitte schoen.’
‘Verdammt Alter, hast du ‘n Rad ab?’ schrie Alex. Zorniges Gemurmel von den anderen.

‘Ach ja, entschuldige bitte.’ Manfred fischte zwei Batterien aus der Jackentasche und stellte sie auf die Konserven.

Der Kerl links aussen stiess einen unverstaendlichen Schrei aus und stuerzte mit erhobener Waffe nach vorne. Das kam ueberraschend, Manfred hatte nicht gedacht, dass von ihm Gefahr ausgehen wuerde.
‘Bin wohl kein besonders guter Menschenkenner.’ dachte Manfred. Dann zog er achselzuckend die Pistole und schoss dem Angreifer ins Bein, der mit einem Schrei zu Boden stuerzte. Eine kleine Staubwolke stieg einen halben Meter hinter dem getroffenen auf. Manfred nickte befriedigt. Das wuerde die Sache einfacher machen.

Johnny schrie heiser ‘Tobias!’ und stuerzte vor, waehrend die anderen unglaeubig auf die Waffe starrten und einen Schritt zurueckwichen. Tobias waelzte sich schreiend im Staub.

Manfred steckte die Pistole wieder hinten in die Hose und laechelte die vier offen an. Keiner hatte eine Schusswaffe gezogen, nicht einmal ein Wurfmesser. Hier hatte er mehr Glueck als beim Pokern. Verdammtes Pik As.

‘Johnny, du kannst deinem Freund Tobias hier gerne helfen.’ Er sah zu wie Johnny den Mann unter den Achseln packte und ihn wegschleifte.
‘Seht mal, wir koennen das Geschaeft jetzt so abschliessen wie wir's jetzt haben. Andererseits habe ich hier hinten noch eine Palette Konserven, und eine Packung mit Medikamenten und Antibiotika, die Tobias hier sicher in den naechsten Wochen gut gebrauchen kann. Es ist nur ein Durchschuss, der wird gut verheilen. Allerdings’, er machte eine bedeutungsschwere Pause, ‘sind meine Unkosten’ er lies seinen Blick bei diesem Wort herablassend auf Alex ruhen ‘gestiegen, und die werdet ihr mir abdecken muessen. Acht Kanister, dafuer bekommt ihr noch eine zusaetzliche Palette mit Lebensmitteln. Johnny, was sagst du?’

Alex stand bebend da, die Haende zu Faeusten geballt, waehrend seine Leute noch immer fassungslos abwechselnd zu ihm, Johnny und Manfred starrten. Tobias war sehr bleich geworden, wimmerte schwach und hielt sich das blutdurchtraenkte Hosenbein.
Wenn nicht schnell eine Entscheidung fiel, wuerde die Situation brenzlig werden. Manfred hatte nicht genug Kugeln fuer alle. Er zaehlte die Sekunden. Maximal zwanzig, so schaetzte her. Dann wuerde er handeln muessen, sonst wuerden sich die Gripps vom Schock erholen.
‘Okay, okay. Wir machens so.’ stiess Johnny hervor.
‘Glueck gehabt, das ging schneller als gedacht’, dachte Manfred, der gerade erst bei acht angekomemn war.
Dann erklaerte er ihnen, wie er sich den restlichen Ablauf vorstellte.

Ein paar Stunden spaeter sass er zufrieden bei seinem Lagerfeuer. Acht Kanister waren eine ziemlich gute Ausbeute, die wuerden einen ganzen Monat reichen wenn der Wind stimmte. Wieder mischte er die Karten und legte sie vor sich auf um sich die Reihenflolge einzupraegen.
Herz Dame, Treff Zehn, Karo Bub, Pik As.
‘Verdammtes Pik As’, knurrte er und haette es am liebsten in die Flammen geworfen, hielt sich aber zurueck. Komplette Kartensets waren selten.
Muessig starrte er auf die nie verschwindende Wolkendecke. Noch eine Stunde, schaetzte er, dann wuerde es dunkel genug sein. Die Gripps waren schon vor ein paar Stunden verschwunden und leckten irgendwo ihre Wunden, aber er konnte keine Verfolger riskieren.
Karo Koenig, Karo Acht, Pik As, Karo Neun, Herz Acht.
Verwirrt hielt er inne. Pik As? Schon wieder? Er blaetterte ein paar Karten zurueck und lachte dann unglaeubig.
Dieser Scheisskerl von einem Baguettefresser.
Das wuerde er ihm buessen.